Rückblick auf das vierte bundesweite Netzwerktreffen „Vielfalt im ASB“

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Die Chancengleichheit der Geschlechter, die internationale Situation von LSBTTI*, der Umgang mit rechtspopulistischen Strömungen und die Teilnahme an den kommenden CSD-Veranstaltungen waren spannende und herausfordernde Themen des vierten LSBTTI*-Netzwerktreffens „Vielfalt im ASB“.

Die Veranstaltung fand am 10. und 11. November 2017 in den neuen Tagungsräumlichkeiten des ASB NRW e.V., dem ASB Forum NRW in zentraler Kölner Lage, statt. Renate Sallet vom Vorstand des ASB NRW begrüßte die aus Nah und Fern angereisten Samariterinnen und Samariter aus vier Landesverbänden und dem Bundesverband. In ihrem Grußwort machte sie deutlich, wie wichtig Vielfalt für eine demokratische Gesellschaft und einen Verband wie den ASB – der sich für Werte wie Respekt, Solidarität und Weltoffenheit stark macht – sind. Sie verurteilte das Hetzen rechtspopulistischer Kräfte gegen Minderheiten und wandte sich gegen das zunehmende Propagieren konservativer Geschlechterrollen. Sie wünschte sich, dass der ASB sich noch stärker als gelebtes positives und vielfältiges Gegenmodell zu den rechtspopulistischen Strömungen in der Gesellschaft positioniert.

Anschließend gab Wilhelm Müller (Foto links) vom Präsidium des ASB Deutschland einen Einstieg in das erste Tagungsthema, der Chancengleichheit der Geschlechter. Mit seinen profunden und bewegenden Einblicken in die Geschichte der Samariterinnen verdeutlichte er das bedeutsame Engagement von Frauen im Arbeiter-Samariter-Bund seit dessen Gründung im Jahr 1888. Bemerkenswerterweise herrschte schon von Anfang an eine große Selbstverständlich zwischen den Samaritern beiderlei Geschlechts. Dabei war das Engagement der weiblichen Samariter substanziell für den Verband. So wäre ohne Ernestine Dietrich, die Ehefrau des ASB-Gründers Gustav Dietrich, der erste „Lehrkurs für Arbeiter in Erster Hilfe“ wahrscheinlich niemals zustande gekommen. Sie war es, die einen Arzt dazu animierte, den Kurs zu leiten. Schon ab 1890 standen Frauen beim ASB in Führungsverantwortung und frühe historische Fotos dokumentieren Samariterinnen bei Einsätzen, etwa beim Transport von Verletzten. Auch in gesellschaftspolitischen Fragen stand der ASB auf der Seite der Frauen, wie in den 1920er-Jahren beim Kampf um die Abschaffung des Abtreibungsparagraphen 218. Wilhelm Müller rundet seine Ausführungen mit dem Apell ab, dass sich der ASB zukünftig noch intensiver gesellschaftlich engagieren und noch klarer Stellung zu aktuellen politischen Debatten beziehen sollte.

Inken Renner (Foto rechts), Bundesvorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSVD), beleuchtete in ihrem darauffolgenden Referat „Geschlecht und Geschlechterrollen und die beruflichen und gesellschaftlichen Auswirkungen“ die Möglichkeiten und Strategien einer Gleichstellung von Frauen und Männern, gerade auch unter dem Aspekt des Diversity Managements. Das Netzwerktreffen widmet sich schon seit seiner Gründung vor zwei Jahren intensiv dem Thema Diversity (siehe auch www.charta-der-vielfalt.de). Dabei ist die Dimension „Geschlecht“ im Diversity Management von grundlegender Bedeutung. Es geht insbesondere darum, alle Geschlechter nachhaltig in allen Bereichen des beruflichen Lebens gleichberechtigt einzubinden und die Diskriminierung von Menschen, egal welcher geschlechtlichen oder sexuellen Identität, abzubauen.

Die Referentin stellte ihre Ausführungen unter ein Zitat der EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, Věra Jourová: „Gleichstellung bedeutet nicht, dass Frauen mehr wie Männer werden sollen. Vielmehr geht es um die Schaffung eines Umfelds, in dem beide Geschlechter gleiche Wahlmöglichkeiten haben und uneingeschränkt am sozialen, Arbeits- und Familienleben teilhaben können“. Frau Renner identifizierte fünf Bereiche, die Möglichkeiten für eine aktive Gleichstellungsarbeit in Organisationen, also auch beim ASB, bieten: Sprache, Gremien, Familie & Beruf, Außendarstellung und Struktur & Sichtbarkeit. In allen Kategorien gelte es, die unterschiedlichen Bedarfe zu analysieren und Möglichkeiten zu schaffen, um gleiche Chancen für alle Geschlechter zu realisieren.

Über die internationale Situation von LSBTTI* und die zivilgesellschaftlichen Handlungsspielräume von NGOs zur Stärkung von LSBTTI*-Strukturen berichtete dann Klaus Jetz, Geschäftsführer der Hirschfeld-Eddy-Stiftung und des LSVD Bundesverbandes. Er erläuterte anhand einer Weltkarte (PDF) die unterschiedlichen Lebenssituationen von LSBTTI*, die von der Bedrohung mit der Todesstrafe bis zu „Ehe für Alle“ und einer Antidiskriminierungsgesetzgebung reichten. Er konstatierte, dass trotz der positiven Entwicklung in manchen Ländern, es auch eine entgegengesetzte globale Tendenz gäbe. Zivilgesellschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten wären etwa durch rechtliche Einschränkungen in verschiedenen Staaten bedroht, zum Beispiel durch sogenannte „Agentengesetze“ bzw. „Propagandagesetze“. Im Anschluss berichtete Bernd Ilg vom ASB Bundesverband über die Struktur und die Arbeitsweise der Auslandshilfe des ASB Deutschland. Er gab einen Einblick in die verschiedenen Möglichkeiten der Unterstützung von Menschen in Not und die strukturellen, gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen bei der Arbeit vor Ort.

Beim letzten inhaltlichen Tagesordnungspunkt am ersten Netzwerktag diskutierten die Samariterinnen und Samariter über den erstarkenden Rechtspopulismus in Deutschland. Von Teilnehmenden wurde angeregt, dass sich der Verband hier klarer positionieren müsse, nicht nur aufgrund seiner Werte, die von Solidarität, Vielfalt und Toleranz geprägt wären, sondern auch aufgrund der Verbandsgeschichte: Der ASB war ab 1933 von den Nationalsozialisten de facto verboten worden und konnte erst nach dem zweiten Weltkrieg wieder seine Arbeit aufnehmen.

Der zweite Netzwerktag hatte starken Praxisbezug und befasste sich mit der Charta der Vielfalt, dem „Internationaler Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie“ (IDAHOT) und den kommenden CSD-Veranstaltungen. So wurde angeregt, dass neben dem ASB Deutschland und einiger weiterer ASB-Gliederungen vor Ort, noch mehr Verbände bei der Unternehmensinitiative Mitglied werden sollten (siehe hier), um so inner- und außerverbandlich ein deutliches Zeichen für Vielfalt zu setzen. Ebenfalls eine attraktive und gut umzusetzende Möglichkeit, sich als vielfältiger Verband darzustellen, ist einen Teilnahme am „Deutschen Diversiy Tag“, der in 2018 am 05. Juni stattfindet (Beispiele für ASB-Aktivitäten dazu findet man hier).

In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Teilnahme von ASB-Verbänden an den CSD-Veranstaltungen auf besonders positive inner- und außerverbandliche Resonanz stößt, sowohl im Bereich des Sanitätsdienst, als auch durch eine Beteiligung am Demonstrationszug. Sicher ist in 2018 eine ASB-Teilnahme mit einen Paradewagen bei den CSD-Veranstaltungen in Köln und Mannheim, einige weitere sind ganz konkret im Gespräch. Im Internet stehen hier Tipps, Infos und Downloads für ASB-Verbände bereit, die sich bei CSD-Veranstaltungen einbringen möchten. Beim nächsten Treffen, das in der ersten Hälfte 2018 stattfinden wird, werden die anstehenden Aktivitäten des ASB bei den CSD-Veranstaltungen ein Schwerpunktthema sein. Einen kurzen Rückblick auf die CSD-Teilnahmen in 2017 findet man zum Beispiel hier: CSD in Köln, CSD in Mannheim.

Neben der intensiven inhaltlichen Arbeit war auch das gegenseitige Kennenlernen und sich Vernetzen ein wichtiger Aspekt des Treffens. Ein gemeinsamer Besuch einer Aufführung des legendären Kölner Scala-Theaters rundete das Treffen ab. Zum nächsten Netzwerkreffen „Vielfalt im ASB“ sind wieder alle Samariterinnen und Samariter aus ganz Deutschland eingeladen.

Immer aktuell: Internet: www.asb-queer.de Facebook: asbqueer

Fotos: ASB NRW/Frank Hoyer