Zwischen Selbstbezüglichkeit und Gemeinschaftssinn

ASB-Studie zeigt Motive für freiwilliges Engagement.

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Sechs zentrale psychologische Engagement-Motive zeigen, wie spezifisch auf die Sehnsüchte und Bedürfnisse potenzieller Freiwilliger eingegangen werden kann.

Engagierte Menschen sind gelassener, zufriedener und resilienter. Ihr Ehrenamt hilft ihnen, mit persönlichen Krisen besser umzugehen, sie beschreiben ihr Engagement als eine Quelle des Sinns und der emotionalen Erdung. Dies ist ein zentrales Ergebnis einer qualitativen Studie des Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), die das rheingold Institut im Auftrag durchgeführt hat. Gemeinsam wurde anhand von 48 zweistündigen Interviews tiefenpsychologisch untersucht, wie Menschen für gesellschaftliches Engagement und Ehrenämter gewonnen werden können.

Die Erkenntnisse bieten Ansätze, wie Menschen für den Dienst an der Gemeinschaft gewonnen werden können. „Die Studie macht deutlich, wie essenziell Engagement für unsere Gesellschaft ist“, sagt Stephan Grünewald, Gründer des rheingold Instituts. „Es unterstützt nicht nur die Hilfsbedürftigen, sondern bereichert auch die Engagierten.“

Die Landesvorsitzende des ASB NRW e. V., Lisa-Kristin Kapteinat, begründet die wichtige Rolle ehrenamtlichen Engagements in Hilfsorganisationen mit deren gesamtgesellschaftlichem Auftrag: „Die Bedeutung von Hilfsorganisationen wird, auch im Angesicht der Krisen unserer Zeit, zunehmend als unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft anerkannt. Vor allem das Ehrenamt spielt hierbei eine herausragende Rolle. Ehrenamtliches Engagement fördert individuelle Teilhabe und gesellschaftliche Integration und trägt zur Chancengleichheit bei. Gleichzeitig bietet es die Möglichkeit, das gemeinschaftliche Zusammenleben aktiv mitzugestalten und neue Perspektiven zu gewinnen.“

Doch was treibt Menschen dazu, sich für andere einzusetzen?

Psychologische Stellschrauben für eine erfolgreiche „Volunteer Journey“

Um die freiwillige Engagement-Bereitschaft zu fördern, ist es wichtig, die Motive der Menschen tiefgehend zu verstehen. Sechs zentrale Engagement-Motive, die von „Erfahrung von Selbstwirksamkeit“ bis hin zur „Kompensatorischen Funktion“ reichen, zeigen, wie spezifisch auf die Sehnsüchte und Bedürfnisse potenzieller Freiwilliger eingegangen werden kann.

Während man im Beruf oder Alltag oft Langeweile, Fremdbestimmung oder fehlenden Sinn verspürt, findet man diese fehlende Erfüllung häufig im Ehrenamt. Aber auch Menschen, die Fremdbestimmung erlebt haben, können durch ihr Engagement selbst gestalten und anpacken. So beschreibt zum Beispiel die ehrenamtlich Engagierte beim ASB-Wünschewagen Elfriede H., 68 Jahre alt: „Als alleinerziehende Mutter hatte ich es oft nicht leicht. Doch egal, wie verzweifelt ich war – da war immer jemand, der uns ein Stück weitergeholfen hat. Daraus ist für mich der Entschluss entstanden, dass ich mich später ehrenamtlich einbringen werde.“

GenZ auf der Suche nach Gemeinschaft

Das Verlorenheitsgefühl der GenZ wird durch die fortschreitende Erosion sozialer Gemeinschaften verstärkt. Gerade die junge Generation fühlt sich immer weniger eingebunden in übergreifende Gruppierungen und ist auf der Suche nach einer haltgebenden Gemeinschaft.

Dass der Faktor Zusammenhalt und Wertschätzung in unterschiedlichen Facetten eine große Rolle spielt im ASB, weiß auch Stefanie Könitz-Goes, Projektleiterin beim ASB NRW und mitverantwortlich für die Engagement-Studie zu berichten: „Wenn sich Menschen füreinander einsetzen, entsteht eine bunte und starke Gesellschaft, in der Zusammenhalt und Empathie im Mittelpunkt stehen. Im Rahmen unseres Verbandsentwicklungsprozesses 'Menschenschätze und Menschen schätzen' entwickeln wir gemeinsame Strategien und Maßnahmen zur Aktivierung, Wertschätzung und Beteiligung im ASB.“

Gleichzeitig offenbart die Untersuchung die Herausforderungen, die Menschen erleben, die nach einer passenden Engagement-Form suchen. Viele befürchten, sich zeitlich oder emotional zu übernehmen. Dies führt dazu, dass erste Impulse für eine ehrenamtliche Tätigkeit im Alltag schnell wieder verfliegen. Die Studie identifiziert diese Barriere als der eine zentralen Herausforderung für soziale Organisationen. „Ein professionelles und auch kümmerndes Ehrenamtsmanagement sowie belastbare verbandliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sind unabdingbare Voraussetzungen für ein lebendiges und nachhaltiges Engagement in unserem Verband,“ betont daher Dr. Stefan Sandbrink, Landesgeschäftsführer des ASB NRW e.V. Nur so könne ein Ehrenamt auch langfristig Früchte tragen und die freiwillig Engagierten stärken.

Die sechs Engagement-Motive im Detail:

Freie Selbstwirksamkeit erfahren – Engagement-Motiv Nr. 1

Viele Menschen stehen im Alltag unter dem Druck. Die Sehnsucht danach, sich selbstwirksam und frei zu erleben, ist groß. Durch ein Engagement soll dieser Wunsch wahr werden: ohne Zielvorgaben oder Anweisungen gestalten, entwickeln und bewirken. Diese Hands-on-Mentalität, gepaart mit viel Gestaltungsspielraum und Freiheiten, wird im ASB als besondere Stärke geschätzt. Wer Ideen einbringen und aktiv gestalten möchte, erhält hier die nötige Förderung und Freiheit.

Empfehlung: Das richtige Maß an Freiheit und Flexibilität ist entscheidend. Manche Menschen bevorzugen klare Strukturen und regelmäßige Unterstützungsangebote, während andere dies als einengend empfinden. Eine einfühlsame Begleitung der Engagierten kann hier das passende Maß finden.

Kompensatorische Funktion – Engagement-Motiv Nr. 2

Wer in seinem Alltag keine Erfüllung findet, sieht im Engagement oft die Möglichkeit, dies zu kompensieren. So kann ein Nebenwerk entstehen, das Enttäuschungen ausgleicht und Langeweile, Fremdbestimmung oder einem Mangel an Sinn entgegenwirkt.

Empfehlung: Eine klare Kommunikation zu den Inhalten und der Sinnhaftigkeit des Engagements ist wichtig, um für potenzielle Engagierte attraktiv zu sein.

Soziale Einbindung – Engagement-Motiv Nr. 3:

Ehrenamt bietet oft Zugang zu sozialen Kontakten und wird insbesondere nach einem Umzug in eine neue Stadt gesucht. Teil einer Gemeinschaft zu sein, die gemeinsame Werte verfolgt, ist im Alltag selten. Der Zusammenhalt im ASB wird besonders geschätzt, viele fühlen sich von Anfang an willkommen und knüpfen oft wichtige Freundschaften.

Empfehlung: Das Gemeinschaftsgefühl darf als Einladung nach außen getragen werden, Teil des Teams zu sein. Viele Engagierte schätzen außerdem Zugang zu überregionalen Netzwerken und Unterstützungsangeboten.

Wertschätzung erfahren – Engagement-Motiv Nr. 4:

Anerkennung und Wertschätzung durch andere stärken das Selbstbewusstsein und sind ein wichtiges Feedback für die investierte Zeit und Arbeit. Die Dankbarkeit von Kolleginnen und Kollegen, der Gesellschaft oder Hilfsbedürftigen sorgt für Stolz und motiviert.

Empfehlung: Die ehrenamtliche Leistung sollte auch öffentlich gewürdigt werden. Für viele ist zudem persönliches Feedback oder Anerkennung im kleinen Rahmen wichtig, um das Gefühl zu haben, ein wertvoller Teil des Ganzen zu sein.

Lebensidentität generieren – Engagement-Motiv Nr. 5:

Für viele spiegelt das Ehrenamt einen Teil der eigenen Lebensgeschichte oder Fähigkeiten wider und trägt so zur eigenen Identität bei. Der ASB bietet vielfältige Möglichkeiten, die Interessen und Fähigkeiten der Engagierten widerzuspiegeln.

Empfehlung: Die große Bandbreite an Engagement-Möglichkeiten sollte kommuniziert werden, auch über den medizinischen Bereich hinaus.

Passiv-Aktiv-Umkehr – Engagement-Motiv Nr. 6

Ehrenamt ermöglicht es vielen, aus gelernten Rollen auszubrechen. Menschen, die Fremdbestimmung erlebt haben, können durch ihr Engagement selbst gestalten und anpacken. Besonders die Umkehr von der Opfer- zur Helferinnen- und Helferrolle kann helfen, biografische Zwänge zu verarbeiten.

Empfehlung: Der ASB sollte diesen Schwung fördern und die Engagierten bei der Umsetzung ihrer Ideen unterstützen. Die Übernahme bürokratischer Aufgaben durch Hauptamtliche kann dabei besonders hilfreich sein.

Hilfsorganisationen und Freiwilligen-Initiativen können diese Motive aufgreifen, indem sie beim Kennenlernen direkt auf Augenhöhe agieren und den Interessierten das Gefühl geben, ein wichtiger Teil der Gruppe zu sein. Die beste Werbung für das Ehrenamt sind Freunde und Bekannte, die sich bereits selbst freiwillig engagieren. Besonders wenn sie – wie die Probanden und Probandinnen in den Tiefeninterviews – zeigen, dass sie durch ihr Engagement nicht nur anderen geholfen haben, sondern auch selbst mehr Lebenszufriedenheit oder ein geerdetes Lebensgefühl gewonnen haben.

Mehr Informationen unter:

www.asb-nrw.de/engagementstudie

 

Ansprechpartner*in

Ute LudwigLeitung Stabsstelle Kommunikation und Medien

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ludwig(at)asb-nrw.de

Stefanie Könitz-GoesReferentin Projektentwicklung

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